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Für Tiere gegen Rechts

Autorenbild: Uwe KäuferUwe Käufer

Rechtsruck bei der Bundestagswahl und damit Rückschritte im Tierschutz und bei Tierrechten verhindern


Am 23. Februar 2025 findet die nächste Bundestagswahl statt. Der aktuelle Trend weist auf ein weiteres Erstarken von rechten Parteien und rechtem Ideengut hin. Doch eine stabile Demokratie ist die Grundvoraussetzung für den gesellschaftlichen Wandel hin zur Stärkung und Anerkennung der Rechte und Bedürfnisse von Tieren. Konservative, rechte Ideologie bedroht Fortschritte in vielen Bereichen. So ist zu befürchten, dass es Rückschritte im Tierschutz und bei den Tierrechten geben wird. Dies gilt es unbedingt zu verhindern, indem du dein Wahlrecht wahrnimmst und es nicht verfallen lässt, denn davon profitieren indirekt die rechten Parteien. 

Weiterhin ist es enorm wichtig, die Parteiprogramme in Bezug auf Tierschutz, Klima, Landwirtschaft und Ernährung zu kennen, um informierte Entscheidungen treffen zu können. Und es bedarf eines Verständnisses unseres Wahlsystems und dessen Effekte auf die Erst- und Zweitstimme, um Stimmverluste zu vermeiden. Es besteht ein Konflikt und ein Dilemma zwischen dem Wunsch, Parteien, die echten Tierschutz und Tierrechte fordern, zu unterstützen gegenüber dem Risiko, dass diese Stimmen aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde in Kombination mit der neuen Zweitstimmendeckung verloren gehen und damit wiederum indirekt die rechten Parteien gestärkt werden. 



Wer steht in NRW zur Wahl?

In NRW sind die folgenden 18 Parteien zur Bundestagswahl zugelassen:

Quelle: Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen
Quelle: Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Tierschutzpartei hat in NRW mit 2055 beglaubigten Unterschriften die Wahlzulassung erreicht. Die V-Partei3 hat die erforderlichen 2000 Unterschriften nicht sammeln können.


Gescheiterte Tierschutzgesetz Novelle 

Die Novelle des Tierschutzgesetzes ist durch den Bruch der Ampelkoalition gescheitert und wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet. Auch wenn die Novelle im Laufe des Verfahrens immer mehr zum Nachteil der Tiere ausgedünnt wurde, hätte diese zumindest einige Verbesserungen gebracht.


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ruft die Spitzenkandidaten von Union, SPD und Bündnis90/Die Grünen auf, den Tierschutz im Wahlkampf zu thematisieren. Weiterhin fordert der Bundesverband von der neu gewählten Regierung zur Erreichung des Staatsziels Tierschutz den Schutz von Tieren in der Landwirtschaft voranzubringen, die Tierschutzgesetz-Novelle aufzugreifen und die Reduktionsstrategie für Tierversuche umzusetzen.


Auch die Tierrechtsorganisation Animal Equality fordert einen fortschrittlichen Tierschutz in Deutschland! Die zukünftige Bundesregierung muss das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz konsequent verfolgen und bestehende Missstände sowie Gesetzeslücken zum Nachteil von Tieren beseitigen. Du kannst die Forderung mit deiner Unterschrift der Petition “Tierschutz ist nicht verhandelbar” unterstützen.

 

Die Wahlprogramme und der Wahl-o-mat

Die Kenntnis der Wahlprogramme speziell in Bezug auf die Themenfelder Tierschutz, Landwirtschaft und Ernährung ermöglichen dir eine informierte Wahlentscheidung zu treffen. Die Wahlprogramme aller zugelassenen Parteien findest du hier. Zum Teil liegen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Blogs nur Entwürfe und Eckpunktepapiere vor.


Eine sehr hilfreiche Analyse der Wahlprogramme der Parteien, die nach aktuellen Umfragewerten eine Chance haben, in den Bundestag einzuziehen, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte veröffentlicht.


Auch der Wahl-O-Mat unterstützt dich dabei, die Parteien zu identifizieren, die deinen Werten am nächsten kommt. Dieser wird am 6. Februar für die Bundestagswahl 2025 freigeschaltet.


Rückschritte und Verschlechterungen

Ein Blick in die Wahlprogramme von Mitte-Rechts-Parteien zeigt viele problematische Programmpunkte im Bereich Tierschutz, Landwirtschaft und Ernährung auf.


CDU/CSU

Das Wort “Tierschutz” findet sich im gesamten Wahlprogramm leider nicht. Stattdessen ein Festhalten am Status Quo und keine Reduktion der “Nutztierzahlen”. Auch die sogenannte “Kombinationshaltung” möchte die CDU/CSU fortführen. Von einer Abschaffung der typischerweise darin inbegriffenen Anbindehaltung wird nicht gesprochen.

Es gibt keine konkreten Zahlen zum Ausbau der biologischen Landwirtschaft. Stattdessen bekennt sich die CDU/CSU zu chemisch-synthetischem Pflanzenschutz – soll das eine weitere Glyphosatverlängerung bedeuten? Wölfe sollen zum Abschuss freigegeben werden. Und eine Erhöhung der Steuer für Fleisch und Milchprodukte bzw. eine Reduktion oder gar Abschaffung der Mehrwertsteuer für pflanzliche Lebensmittel wird es mit der CDU/CSU nicht geben. Auch eine Strategie für die Förderung des lokalen Anbaus von proteinreichen Pflanzen für die menschliche Ernährung oder eine Steigerung des Selbstversorgungsgrades bei Obst und Gemüse sucht man vergebens.


FDP

Die FDP sieht Landwirtschaft als Unternehmen mit Produktivitätssteigerung. Tierschutz und Tierwohl werden erwähnt, allerdings wird unkonkret von notwendigen Verbesserungen gesprochen, die dann auch immer praxistauglich sein sollen. Es gibt keine klare Position zur Reduktion von Tierzahlen oder zur Abschaffung der Anbindehaltung. Ziele für ökologischen Landbau gibt es keine. Wolf und Kormoran sollen bejagt werden. Die Bildungsmaßnahmen im Bereich der Ernährung hören sich zunächst interessant an. Gleichzeitig gibt es keinen Plan für eine pflanzliche Proteinstrategie oder zumindest Ziele in Richtung Planetary Health Diet. Weiterhin soll es keine Veränderungen bei der Besteuerung von Lebensmitteln geben. Zucker wird in einem Atemzug mit gesunden Lebensmitteln genannt. Beängstigend ist der Einsatz von KI, um Tierwohl zu erkennen. Was soll das heißen? Ruft die KI die Tierschutzbeauftragte an?


AfD

Das AfD Wahlprogramm konnte zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Blogs nicht heruntergeladen werden: 404 Fehlercode - Ressource nicht gefunden. Es gibt jedoch den Leitantrag von dem AfD Parteitag in Riesa. Neben einer erschreckenden Ansammlung von rassistischen, sexistischen und anderen Unterdrückungs-Programmpunkten hat die AfD im Vergleich zu CDU/CSU und FDP ein ausführlicheres Programm im Bereich Tierschutz, Landwirtschaft, Ernährung und Klima. Dies ist gefährlich, da Tierschützer sich mit einigen Punkten identifizieren könnten. Dennoch klingt ein konservativer und zum Teil ausländerfeindlicher, religionsfeindlicher Ton mit, so z.B. beim Schächten. Auch wird nichts zum Thema betäubungsloses Töten von kranken "Nutztieren" oder von überzähligen Versuchstieren gesagt. Es gibt keine konkreten Pläne für eine Reduktion der Tierzahlen oder die Abschaffung der Anbindehaltung oder für den Ausbau des Anbaus pflanzlicher Proteine für die menschliche Ernährung in Deutschland. Der Klimawandel wird geleugnet. Der Wolf soll gejagt werden. Fischerei und Hobbyangeln soll es weiter geben. Es gibt keine Pläne zum Ausbau der Bio-Landwirtschaft. Es soll keine Lebensmittel Steueränderungen geben und es soll über die Risiken von “modischen” Ernährungsformen aufgeklärt werden. Vermutlich ist hiermit eine rein pflanzliche Ernährung gemeint. Die Regulierung von Düngung soll wieder abgeschafft werden.


Die Effekte von Erst- und Zweitstimme und das Dilemma zwischen der Unterstützung von Tierschutzparteien und dem möglichen Verlust von WählerInnenstimmen

Für die folgenden Informationen wurden verschiedene Quellen herangezogen: bpd, Bundestag sowie weitere Artikel.


Anzahl der Bundestagssitze, Erst- und Zweitstimme

In Deutschland gilt das personalisierte Verhältniswahlrecht. Die 630 Sitze im Bundestag werden zum einen mit den 299 DirektkandidatInnen, die in einem Wahlkreis die Stimmmehrheit gewonnen haben, und zum anderen mit 331 KandidatInnen der Landeslisten der Parteien besetzt. Die DirektkandidatInnen werden mit der Erststimme, die Landeslisten der Parteien mit der Zweitstimme gewählt. Die Sitzverteilung der Parteien im Bundestag wird ausschließlich durch die Verhältnisse der Zweitstimmen bestimmt! Die Zweitstimme wird so in dieser Wahl noch wichtiger!


Zweitstimmendeckung

Seit der Wahlrechtsreform 2023, die durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, eingeschränkt wurde, ist die Anzahl der Bundestagssitze auf 630 Sitze begrenzt. Es gibt keine Überhang- oder Ausgleichsmandate mehr! Wenn z.B. eine Partei in einem Bundesland 10 Sitze über die Zweitstimme gewinnt und gleichzeitig ihre DirektkandidatInnen in 15 Wahlkreisen gewonnen haben, ziehen dennoch nur die ersten 10 DirektkandidatInnen (in Reihenfolge der gewonnenen Erststimmen) in den Bundestag ein. Dies ist die sogenannte Zweitstimmendeckung, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform eingestuft wurde. 

Kritisch für kleine Parteien: Selbst wenn eine DirektkandidatIn einer Kleinpartei einen Wahlkreis gewinnt, kann es passieren, dass diese nicht in den Bundestag einzieht, wenn die Landesliste der Partei in diesem Bundesland keinen Sitz über die Zweitstimme gewonnen hat. Bei einem Wahlergebnis einer Partei A von 1% stünden Partei A 6 Sitze zur Verfügung, die allerdings noch auf die Bundesländer mit Landeslisten der Partei A aufgeteilt würden. Im besten Fall fällt mindestens 1 Sitz in das Bundesland, in dem ein Wahlkreis gewonnen wurde. Für parteilose EinzelbewerberInnen, die einen Wahlkreis gewinnen, gilt die Zweitstimmendeckung nicht. Sie ziehen immer in den Bundestag ein. Das ist jetzt schon kompliziert und verwirrend. Dazu kommt nun noch die Fünf-Prozent-Hürde und die Grundmandatsklausel.


Fünf-Prozent-Hürde und Grundmandatsklausel

Im Gegensatz zu den EU Parlamentswahlen 2024, gilt für die Bundestagswahlen immer noch die Sperrklausel aka Fünf-Prozent-Hürde. Diese besagt, dass Parteien mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen gewinnen müssen, um in den Bundestag einzuziehen. Diese Sperrklausel gilt nicht für Parteien nationaler Minderheiten wie z.B. der SSW im Norden. 

Bei der Wahlrechtsreform 2023 sollte eigentlich auch die sogenannte Grundmandatsklausel abgeschafft werden. Das hat das BVerfG gekippt. Die Grundmandatsklausel bleibt bei der Wahl 2025 erhalten. Diese besagt, dass auch Parteien unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag einziehen können, sofern sie mindestens drei Wahlkreise gewonnen haben. Dies war z.B. 2021 bei der Partei “Die Linke” der Fall, die nur 4,9% der Zweitstimmen für sich gewinnen konnte, aber gleichzeitig drei Wahlkreise gewann.

Bei der Wahl 2021 gab es die Zweitstimmendeckung noch nicht! Dadurch hatte die Erststimme mehr Gewicht als bei der Wahl 2025. DirektkandidatInnen konnten unabhängig vom Zweitstimmenergebnis, also unabhängig von der Fünf-Prozent-Hürde bei den Zweitstimmen, über die Erststimme in den Bundestag einziehen. Das geht nun nicht mehr! Nun gibt es die oben beschriebene Kopplung mit dem Zweitstimmenergebnis der Parteien. Kurz, eine Partei muss erreichen, dass ihre Zweitstimmen zählen, um über die Erststimmen DirektkandidatInnen aus den Wahlkreisen in den Bundestag zu entsenden.

Dies kann erreicht werden, indem die Partei mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht, oder mindestens drei Wahlkreise über die Erststimmen gewinnt. Das bedeutet auch, dass ein Stimmensplitting, also Erststimme für KandidatIn von Partei A und Zweitstimme für Partei B,  ungünstig sein kann. 



Video Empfehlungen 

Diese Erklärvideos sind hilfreich, um das Wahlsystem zu verstehen:


Beispiel - ohne Gewähr auf 100% Richtigkeit!

Partei A erreicht bei den Zweitstimmen 1,5% bundesweit und gewinnt drei Wahlkreise mit den Erststimmen. Dadurch werden die Zweitstimmen berücksichtigt, obwohl die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreicht wurde (Grundmandatsklausel). 

1,5% von 630 verfügbaren Sitzen entsprechen neun Sitzen (abgerundet). Das exakte Rundungsverfahren nennt sich “Verfahren nach Sainte-Laguë“.


Durch die Zweitstimmendeckung ziehen die drei DirektkandidatInnen aber nur in den Bundestag ein, wenn ausreichend Zweitstimmen in dem jeweiligen Bundesland gewonnen wurden.

Hypothetischer Fall: 

  • Partei A ist in zwei Bundesländern (B1 und B2) angetreten, die neun Sitze über die Zweitstimme verteilen sich über die Einwohnerzahl der Bundesländer B1 und B2 auf zwei Sitze in Bundesland B1 und sieben Sitze in Bundesland B2. 

  • Alle drei gewonnenen Wahlkreise liegen allerdings in Bundesland B1. 

  • Durch die Zweitstimmendeckung werden nun nur zwei von drei DirektkandidatInnen einen Bundestagsssitz bekommen, da nur zwei Wahlkreise durch die Zweitstimmen in diesem Bundesland gedeckt sind. Ein Wahlkreis verbleibt “verwaist”.

So werden zwei Bundestagssitze von DirektkandidatInnen von Partei A besetzt, die verbleibenden sieben Sitze werden über die Landeslisten der Partei A in Bundesland B2 besetzt.


Konsequenzen für kleine Parteien

Kleinen Parteien, die nicht über die Fünf-Prozent-Hürde bei der Zweitstimme kommen werden, bleibt die Chance, drei Wahlkreise und gleichzeitig eine gewisse Anzahl Zweitstimmen zu gewinnen, um eine möglichst hohe Zweitstimmendeckung zu erreichen. Es lohnt sich daher bei den Überlegungen zu schauen, wie viel Prozent der Zweitstimmen eine Partei bei der letzten Bundestagswahl erreichen konnte und wie die aktuellen Prognosen aussehen und gleichzeitig zu prüfen, in welchen Wahlkreisen eine Partei eine Chance auf einen Sieg über die Erststimmen hat.


Beispiel: Tierschutzpartei

Die Tierschutzpartei erreichte bei der letzten Bundestagswahl 1,5% der Zweitstimmen. Sie konnte keinen Wahlkreis gewinnen und hat so nicht von der Grundmandatsklausel profitieren können. Bei den Erststimmen lagen die höchsten Ergebnisse in einem Wahlkreis in Berlin bei 4,12%. Die Tabelle zeigt die besten Erststimmenergebnisse der Partei aus 2021.


Risiko “Verlorene Stimmen”

Es besteht also das Risiko, dass durch die Kombination aus Fünf-Prozent-Hürde und Zweitstimmendeckung viele Wählerstimmen verloren gehen. Nach meinem Berechnungen belief sich die Anzahl der verlorenen Zweitstimmen im Jahre 2021 auf ca. 4.000.000! Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Fünf-Prozent-Hürde_in_Deutschland


Die Kampagne “Für Tiere gegen Rechts”, ein “Bündnis verschiedener Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen aus der Tierschutz- und Tierbefreiungsbewegung” macht ebenfalls auf diese Problematik aufmerksam. 


Die WählerInnen sollten sich dieser möglichen Stimmverluste bewusst sein, da diese indirekt die rechten Parteien stärken könnten. Es könnte also sinnvoll sein, für eine größere Partei zu stimmen, die den persönlichen Werten noch einigermaßen nahe steht.


Dabei kann dir der Wahl-O-Mat helfen, der am 6. Februar aktiviert wird, sowie die Kenntnis und Analyse der Wahlprogramme.


 
 

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