Opas Freund Fritz, der Ganter
- Uwe Käufer

- 29. Okt.
- 6 Min. Lesezeit
Am 11. November ist St. Martin. Kinder freuen sich auf diesen traditionellen Tag mit Laternenumzug und Stutenkerl. Leider gehört zu dieser Tradition auch das Martinsgans-Essen. Dies erfüllt uns mit großer Sorge um die hunderttausenden von Gänsen, die für St. Martin und auch für die Weihnachtszeit gemästet und getötet werden. Die Geschichte von Ganter Fritz macht uns Hoffnung.

Woher kommt der St. Martinsbrauch und was wird gefeiert?
Martin war ein römischer Soldat, der sich taufen ließ und später Bischof von Tours (Frankreich) wurde. Die bekannteste Legende erzählt, dass er seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte – ein Symbol christlicher Nächstenliebe. Nach dieser Tat soll ihm Christus im Traum erschienen sein, bekleidet mit der Mantelhälfte. Martin wurde wegen seiner Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft verehrt und am 11. November 397 begraben. Dieses Datum wurde zum Martinstag.
Warum werden an St. Martin Gänse gegessen?
Eine weitere Legende besagt, dass Martin sich vor seiner Bischofsernennung in einem Gänsestall versteckte, die Gänse aber “verrieten” ihn durch ihr Geschnatter. Gemäß dieser Geschichte könnte man annehmen, die Gänse würden bis heute dafür bestraft, dass sie sich (zu Recht) über einen fremden Eindringling in ihre Privatsphäre aufgeregt haben.
Wahrscheinlicher sind aber folgende Erklärungen:
Der 11. November war im Mittelalter der letzte Tag vor dem 40-tägigen Adventsfasten („Martinsfasten“). An diesem Tag wurde noch einmal festlich gegessen und gefeiert, bevor die Fastenzeit begann. Die Gans, damals ein Zeichen des Wohlstands, wurde zum Festbraten – ähnlich wie der Weihnachtsbraten später. Außerdem war im Herbst “Schlachtzeit” und viele Tiere wurden vor dem Winter getötet, um Fleisch zu konservieren.
Der 11. November war im Mittelalter auch der Tag, an dem Pacht und Steuern an Grundherren oder Klöster gezahlt wurden – oft in Naturalien. Bauern mussten dabei häufig Gänse abliefern. Daher wurde der Martinstag auch als „Zinstag“ bezeichnet – und die „Martinsgans“ war teils eine Abgabe, teils Festessen.
Was bedeutet St. Martin für die Gänse
St. Martin feiert die christliche Nächstenliebe. Diese schließt offensichtlich die Gänse komplett aus - das erschreckende Gegenteil ist der Fall!
Die Albert-Schweitzer.-Stiftung beschreibt ausführlich, wie Gänse in der Landwirtschaft ausgebeutet werden und leiden.
Wie bei allen Tierhaltungen werden die Gänse gewaltvoll zwangsbefruchtet mit Sperma, das von den Gantern gewaltvoll “gemolken” wurde.
Im Ausland herrscht intensive Massentierhaltung mit mehreren tausend Gänsen vor. Größter Produzent ist Ungarn. In Deutschland findet sich vorrangig die Weidehaltung - allerdings werden in Deutschland nur 14% des Gänsefleisches für den deutschen Konsum “produziert”!
Gänse können über 20 Jahre alt werden. In der Schnellmast werden sie nach ca. 10 Wochen getötet, in der Intensivmast nach 16 Wochen und in der Weidemast nach maximal 32 Wochen. Es sind also noch Kinder.
Innerhalb der EU ist in Frankreich, Polen und Ungarn sogar die tierquälerische Stopfmast noch erlaubt.
Gänse brauchen Zugang zu Wasser, um sich zu baden. Dies wird von der Europarats-Empfehlung zur Haltung von Hausgänsen aus dem Jahr 1999 gefordert und gleichzeitig aufgeweicht:
Auch in der deutschen Weidehaltung haben die Gänse oft keinen Zugang zu Wasser, sondern nur Wasserbehälter, in die sie maximal ihren Kopf eintauchen können.
Neben der “Fleischproduktion” als Martins- oder Weihnachtsbraten, werden Gänse zur Herstellung von Fettleber, zur Produktion von Eiern und zur Daunengewinnung ausgebeutet.
Die Federn von getöteten Tieren werden dabei nicht verwendet. Das tierquälerische Ausrupfen der Federn, die “Lebendrupf”, ist in der EU eigentlich verboten, in Ungarn und Polen allerdings noch üblich und auch das in der EU erlaubte sogenannte “Raufen” (Herauskämmen der lockeren Federn) während der Mauser ist mit Verletzungen und Stress verbunden.
Im Schlachthaus werden die Gänse kopfüber an den Füßen aufgehängt. Dabei werden sie zwangsläufig grob behandelt und erleiden Knochenbrüche durch ihr eigenes Gewicht. Sie sollen in einem elektrischen Wasserbecken betäubt werden. Das funktioniert oft nicht, da die Tiere sich stark bewegen und fliehen wollen. So wird den Gänsen bei vollem Bewusstsein der Hals aufgeschnitten. Viele Tiere leben immer noch, wenn sie in das Brühbecken eingetaucht werden.
Den Gänsen werden ihre Bedürfnisse systematisch vorenthalten. Sie sind soziale, gesellige und kommunikative Tiere, die in kleinen Gruppen leben. Sie beschäftigen sich stundenlang mit der Nahrungssuche und brauchen längere Ruhephasen. Sie brauchen Zugang zu Wasser, um sich zu baden und ihr Gefieder zu ölen. Ohne dies entwickeln sie Verhaltensstörungen wie das sogenannte “dry-washing” bei dem sich die Gänse versuchen, mit Erde zu putzen.
Wie viele Gänse werden getötet?
Es gibt keine Statistik über die Anzahl der getöteten Gänse. Sie werden noch nicht einmal dazu als Individuum gezählt. Es gibt lediglich Tonnenangaben. Eine grobe Abschätzung für das jahr 2023 ergibt sich folgendermaßen:
Summe Import und lokale “Produktion” von Gänsefleisch : 14.400 Tonnen [DeStatis]
Schätzung: Ein Gänseleichnam wiegt nach der Tötung zwischen 4-6 kg ⇒ Annahme 5 kg
Daraus ergibt sich: 14.400.000 kg / 5 kg = 2.880.000 Millionen Gänse / Jahr 2023
Also wurden ca. 2,8 Millionen Gänse verteilt über das Jahr 2023 getötet. Die Zahlen konzentrieren sich dabei auf die Monate Oktober, November und vor allem Dezember.
Etwas Hoffnung verschafft die rückläufige Statistik von Gänsefleisch in Deutschland. Innerhalb eines Zehnjahreszeitraums von 2013 bis 2023 sind die Importe um über 50% zurückgegangen und die inländische Produktion um über 18%.

“Mein Freund Fritz” - Eine kleine Geschichte von Andreas’ Opa
Jede Gans, die für die Martins-Tradition, welche im Sinne der christlichen Nächstenliebe steht, gequält und schließlich getötet wird, ist ein einzigartiges Lebewesen. Eine Persönlichkeit mit einem besonderen Charakter, mit Bedürfnissen, mit Gefühlen und mit einem Namen.
Namen ermöglichen einen Zugang zu anderen Personen. Sie ermöglichen Kommunikation, Austausch und Empathie. Einem Tier, das nicht der Spezies Mensch angehört, einen Namen zu geben und diese Tierperson mit ihrem Namen anzureden, schafft Verbindung. Wir erkennen in der Tierperson ein “Du” - eine individuelle, komplexe Persönlichkeit, mit der wir interagieren.
Andrea hat mir vor kurzem die Geschichte von ihrem Opa und seinem Freund, dem Ganter “Fritz” erzählt. Diese hat mich sehr berührt, zeigt sie doch, welche Tiefe eine Verbindung zwischen einer Mensch- und einer Tierperson entwickeln kann.

Andreas Opa ging sehr gerne spazieren. Sein Weg führte ihn auch täglich an einem kleinen See vorbei. Dort verweilte er eine Zeit. Er liebte es, die Wasservögel zu beobachten. Eines Tages fiel ihm eine Gans besonders auf. Etwas war anders. Er fühlte eine innere Verbundenheit zu der Gans. Auch wenn er sich des Geschlechts der Gans nicht ganz sicher war, nannte er die Gans Fritz. Er kam täglich zum See, um Fritz zu treffen und ihn zu beobachten. Er freute sich, ihn immer gesund und munter anzutreffen. Eines Tages war Fritz nicht da. Das beunruhigte Andreas Opa sehr. Es war noch nie vorgekommen. Jeden Tag hatte er Fritz am See angetroffen. Andreas Opa machte sich große Sorgen und hoffte, Fritz am nächsten Tag wiederzusehen. Es waren lange Stunden des Wartens und Hoffens. Auch am nächsten Tag war keine Spur von Fritz zu sehen. Andreas Opa war traurig. Was war passiert? Er malte sich aus, dass jemand Fritz gefangen, getötet und gegessen haben könnte. Das durfte nicht wahr sein. Es musste Fritz einfach gut gehen. Aber auch an den folgenden Tagen und Wochen blieb Fritz verschwunden. Fritz war ein Teil seines Lebens geworden. Nun fehlte er. Das war ein großer Verlust für Andreas Opa und erfüllte ihn mit großer Trauer. Andreas Opa hat Fritz nie wieder gesehen - aber sich immer an ihn erinnert und auch seiner Enkelin Andrea von seinem Freund erzählt. So lebt er bis jetzt in unseren Gedanken weiter.
Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft, dass alle Menschen eine solche Beziehung zu tierlichen Personen entwickeln. Eine empathische Beziehung auf Basis von Respekt, Ehrfurcht und - ja auch auf Basis einer Nächstenliebe, die alle Lebewesen miteinschließt.
Wir laufen für die Gänse
Am 9. November laufen wir beim Martinslauf am Unterbacher-See in Düsseldorf mit unter dem Motto “Gänse - Friends not Food” – in Gedenken an Fritz (und Andreas Opa) und um auf das Leid seiner Millionen von ArtgenossInnen aufmerksam zu machen, die jedes Jahr für unsere traditionellen Feste getötet werden.
Vegane Martinsgänse
Laternenumzug, leckere Stutenkerle und deftiges Essen sind selbstverständlich auch ohne Tierleid möglich – also mit echter Nächstenliebe auch für die Gänse.
Stutenkerle kannst Du vegan backen:
Für deftige vegane Festtagsbraten gibt es viele Rezepte oder du kaufst ihn schon fertig:
In Düsseldorf und Umgebung haben wir leider kein Restaurant gefunden, das einen veganen Martinsbraten anbietet. Österreich ist hier mit der "Vegansl" schon weiter!
Wir denken an Fritz und seine ArtgenossInnen und hoffen, dass die Nachfrage nach “Gänseprodukten” immer weiter sinkt und irgendwann bei Null liegt.
Du kannst für die Tiere Gänseessen boykottieren und stattdessen ein tierleidfreies St. Martin und andere Festtage feiern - mit veganem Stutenkerl und leckerem veganen Festtagsbraten. Frage in deinen Lieblingsrestaurants nach veganen Festtagsmenüs und erzähle deiner Familie und deinen Freunden von Fritz.
Auf Lebenshöfen können gerettete Gänse in Frieden alt werden. Unterstütze sie mit einer Spende. Verschenke und wünsche dir Spenden für Lebenshöfe als Alternative zu Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenken. Schaue dazu gerne auf unsere Lebenshofseite.

Weiterführende Links:
https://albert-schweitzer-stiftung.de/massentierhaltung/gaense
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Sankt-Martin-Warum-feiern-wir-am-11-November-Martinstag,martinstag106.html#:~:text=Rund%2030%20Jahre%20lang%20war,Heute%20ist%20St.
https://www.coe.int/en/web/cdcj/1999-rec-domestic-geese?utm_source=chatgpt.com
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2024/PD24_45_p002.html
https://cologne-timing.de/anmeldung/martinslauf-duesseldorf-1
https://welivevegan.com/vegane-weckmaenner/
https://www.zuckerjagdwurst.com/de/artikel/rezeptsammlungen/vegane-hauptgaenge-weihnachten-menue
https://www.alnatura.de/de-de/magazin/ernaehrungsformen/vegane-ernaehrung/veganer-braten/
https://www.simply-vegan.org/christmas-inspiration-20-vegane-rezepte/
https://www.wheaty.de/produkt/veganer-braten/
https://www.vegan.at/veganes-martinigansl?utm_source=chatgpt.com
https://www.instagram.com/p/DBYiwJFNyVK/?utm_source=ig_web_copy_link
https://www.duesseldorf-vegan.de/lebenshoefe-co
