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AutorenbildAndrea Hinz

Eine Mahnwache an der Uni Düsseldorf.

Aktualisiert: 27. Okt.

Am 21. April 2024 demonstrierten 150 Menschen vor dem Tierversuchslabor der Heinrich-Heine-Universität für die Abschaffung von Tierversuchen und um die Freilassung von Laborhunden zu erwirken.



“Das Leben ist weder Zweck noch Mittel. Das Leben ist ein Recht.”

Das Zitat stammt von Heinrich Heine, dem Namensgeber der Düsseldorfer Universität, an der auch ich studiert habe. Wir sind dem Aufruf von Ärzte gegen Tierversuche e.V. gefolgt zum Gebäude 22.22, wo sich schon viele AktivistInnen versammelt haben. Überragt von einer großen Laborbeagle-Figur des Düsseldorfer Bildhauers Jacques Tilly. Was als Unterstützung einer Mahnwache zum Tag der Abschaffung der Tierversuche gedacht war, entwickelte sich zu einem komplexen Thema in Richtung Deutsches Tierschutzgesetz, welches aktuell in der Überarbeitung ist.


Über 20.000 Versuchstiere an der Heinrich-Heine-Universität

An die 150 AktivistInnen beteiligen sich an der Mahnwache vor der Forschungseinrichtung der HHU, der ZETT (Zentrale Einrichtung für Tierforschung und wissenschaftliche Tierschutzaufgaben) – immer wieder hört man Alarmsirenen aus dem Gebäude. Mein Blick schweift hinüber und ich denke an die über 20.000 Tiere, die dort aktuell gehalten werden. Auf der Internetseite der ZETT steht (Stand 2023): 20.281 Tiere (590 Ratten und 19.691 Mäuse). Sowie weitere Tiere (insgesamt 69) wie Schweine, Hunde, Schafe, Katzen, Marmosetten und Kaninchen. Was ist das für ein Leben? Geboren oder anders gesagt “produziert” von Firmen wie Marshall Bio Resources (USA) für Experimente zur Grundlagenforschung. Lebenslang im Käfig, ohne ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten und ohne die natürlichen Verhaltensweisen ausleben zu können.


Freilassung der Laborhunde gefordert

Die Tierversuche an den Hunden wurden laut Angaben der Universität 2018 eingestellt und seit Jahren setzt sich die Arbeitsgruppe Düsseldorf von Ärzte gegen Tierversuche e.V. dafür ein, dass die Uni die verbliebenen Laborhunde (Beagle und Foxhounds), die jetzt alle über 10 Jahre alt sind, freigibt. Ärzte gegen Tierversuche e.V. hatte vor der Mahnwache die Information von neun Hunden, laut ZETT Website sind es Stand 29.04.2024 nur noch fünf Hunde. Gleichzeitig ist in der Veröffentlichung eines Versuchs von 2021, an dem Fakultäten der Uni Düsseldorf beteiligt waren, zu lesen, dass vier, zu Beginn des Versuchs 12 Monate alte Foxhounds nach sechs Monaten getötet wurden. Kann es sein, dass die ZETT nur von den Hunden spricht, die nach 2018 älter als fünf Jahre waren? Die Stadt Düsseldorf hat noch eine weitere Zahl: Nach dem Ende der Tierversuche an den Hunden im Januar 2018 waren 24 Hunde registriert (Quelle: NRZ/Julia Müller, 30.04.2024). Die widersprüchlichen Angaben, die wir im Nachgang gefunden haben, lösen Irritationen aus. Laut Uni Düsseldorf sollen die verbliebenen Hunde aus Tierschutzgründen im Labor bleiben, da sie in ihrer gewohnten Umgebung und ihrem Rudel leben. Zur Mahnwache sind auch etliche kleine Vierbeiner, darunter ehemalige Laborbeagle aus ganz Deutschland, mit ihren "BegleiterInnen" angereist. Sie beweisen in ihrer neugierigen Lebendigkeit, was möglich ist, wenn selbst ältere, traumatisierte Laborhunde in liebevolle Hände kommen. Auch die Hundepsychologin Nadine Schütte bekräftigt in ihrer Rede auf der Mahnwache, dass eine Umgewöhnung in jedem Alter funktioniert. Dass das Gehirn ein Leben lang lernfähig bleibt, ist aus wissenschaftlicher Sicht unbestritten.


Du kannst die Petition von Ärzte gegen Tierversuche e.V. zur Freilassung der Hunde und Stopp der Tierversuche an der Uni Düsseldorf unterzeichnen oder einen Musterbrief herunterladen und an das Rektorat schicken.



Zwei Millionen Tierversuche alleine in Deutschland

Rund sieben Millionen Tierversuche (für die Grundlagenforschung sowie gesetzlich vorgeschriebene) werden in der EU pro Jahr durchgeführt, davon alleine in Deutschland mehr als zwei Millionen. Hinzu kommen noch einmal so viele Tiere, die für Tierversuche gezüchtet, aber für eine Organentnahme oder als „Überschuss“ getötet werden. Nach Angaben des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) wurden im Jahr 2022 insgesamt 4.207.231 Millionen Tiere im Rahmen der jährlichen Versuchstiermeldung erfasst. Allein 711.939 Tiere davon wurden für wissenschaftliche Zwecke getötet. (Quelle: Deutscher Tierschutzbund)

Mehr als 80 Prozent der Deutschen lehnen Tests mit lebenden Tieren ab

Auch Tiere verspüren Schmerzen und Angst und leiden erheblich in den Tierversuchen. Und das oft zum reinen Erkenntnisgewinn, ohne absehbaren Nutzen oder Aussicht auf Erfolg. Hinzukommt, dass alle Medikamente, die in der EU zugelassen werden, an Tieren getestet werden müssen, bevor sie in die klinische Phase kommen. In den USA ist der Verzicht auf Tierversuche in der Arzneimittelentwicklung hingegen schon möglich.


Es gibt viel Kritik an Tierversuchen

Gaby Neumann, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche e.V. sagt, dass "...mehr als 90 Prozent der Medikamente, die in Tierversuchen wirksam und sicher waren, in nachfolgenden Versuchen an Menschen scheitern, weil sie wirkungslos sind oder zu hochgradigen Nebenwirkungen führen würden. Es werde eine falsche Sicherheit 'vorgegaukelt'“. „Weltweit wenden sich Forscher und Konzerne von Tierversuchen ab. Man muss anerkennen, dass das System Tierversuch gescheitert ist. Tierversuchsfreie Technologien boomen dagegen weltweit. Warum gibt es keinen Lehrstuhl für tierversuchsfreie Technologien in Düsseldorf?“, fragt Eva Nimtschek von Ärzte gegen Tierversuche e.V. in ihrer Rede zur Mahnwache an der Heinrich-Heine-Universität.


Tierversuchsfreie Methoden 

Die Entwicklungen in diesem Bereich gehen rasant voran, Technologien sind z.B. Computersimulationen oder Mini-Organe (sogenannte Organoide), die man mit Stammzellen aus jeder menschlichen Körperzelle herstellen kann und die wie die Originalorgane funktionieren. Reyk Horland, Geschäftsführer von TissUse aus Berlin, schätzt, dass Multi-Organ-Chips oder auch KI-gestützte Computermodelle insgesamt bis zu 60 Prozent der Tierversuche ersetzen könnten, im Bereich der Sicherheitsbewertung oder in der Medikamentenentwicklung in Zukunft sogar bis zu 80 Prozent. 


Reform von §7 des Deutschen Tierschutzgesetzes noch nicht erfolgt

Seit über 20 Jahren ist der Tierschutz als Staatsziel im deutschen Grundgesetz verankert. Laut des Deutschen Tierschutzgesetzes darf zwar niemand „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung erlaubt § 7 aber Ausnahmen. Beim am 1. Februar 2024 veröffentlichten ersten Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes blieben die Regelungen zu Tierversuchen unverändert. Ein Makel, den Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbund e.V., scharf kritisiert, da einige Vorschriften immer noch nicht den Vorgaben der EU entsprechen. „Wir beobachten gerade, dass Tiernutzer versuchen, selbst minimale Verbesserungen bei der Überarbeitung des Tierschutzgesetzes abzuwenden.“, so Thomas Schröder. Am 24. April 2024 wurde der zweite Entwurf des Tierschutzgesetzes bekannt, bei dem, laut Thomas Schröder “im Bereich Tierversuche weiterhin keine Verbesserungen für die Tiere vorgesehen sind."  


Zeit zu handeln – für alle, denen der Schutz der Tiere ein Anliegen ist 

Der bisher nicht innerhalb der Bundesregierung geeinte Entwurf des neuen Deutschen Tierschutzgesetzes geht nun erneut in die Ressortabstimmung. Die Einbringung ins Kabinett ist für Mai geplant. Danach startet das parlamentarische Verfahren. Es ist noch Zeit zu handeln und eine Überarbeitung des §7 zu fordern: Massive Ausweitung der Förderung von tierversuchsfreien Methoden, Verbot von schwer belastenden Tierversuchen ohne Ausnahmen, Ausstiegsstrategie aus und ein langfristiges Verbot von Tierversuchen.


  • Du kannst Cem Özdemir, der auch Bundestierschutzminister ist, schreiben an cem.oezdemir@bundestag.de

  • Du kannst eine Petition unterzeichnen, z.B. von Vier Pfoten – Stiftung für Tierschutz oder von Peta

  • Du kannst Fraktionsvorsitzenden auffordern, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um wenigstens die Empfehlungen der Rechtsgutachten umzusetzen, die E-Mail-Adressen findest du bei Peta

  • Du kannst Dr. Gerlinde von Dehn, der Tierschutzbeauftragten NRW schreiben an TierSchB@mlv.nrw.de

  • Du kannst diesen Blogbeitrag an Freunde, Bekannte, Familie weiterleiten


 
Aus Tierschutzsicht sind Tierversuche ethisch nicht zu rechtfertigen wie auch eindrücklich in einem aktuellen Vortrag der HHU EthikerInnen Dr. Frauke Albersmeier und Dr. Alexander Christian hergeleitet. Und sind laut u.a. Ärzte gegen Tierversuche e.V., Deutscher Tierschutzbund e.V. zudem veraltet, aufwändig, teuer und die Ergebnisse oft nicht auf den Menschen übertragbar. Es braucht daher dringend mehr Förderung und die Etablierung von tierversuchsfreien und tierfreien Technologien, eine Änderung der Vorschriften für Medikamententests, eine Änderung des Deutschen Tierschutzgesetzes sowie einen Ausstieg aus den Tierversuchen.
 




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